DATEV Challenge Roth 2023

Radim hat wieder geliefert!

PlatzNameSwimBikeRunGesamt
1381.Radmin1:34:345:28:074:01:3811:14:38
Challenge Roth 2023

Ironman Kalmar 2022

Lange hatte ich mich darauf vorbereiten können, war ich doch schon 2020 für diesen Wettkampf gemeldet. Aber wie ich so bin, sobald ein Wettkampf abgesagt wird, oder besser gesagt ansteht, fehlte mir die Motivation zum Training. Daher waren die Trainings-Kilometer in den Jahren 2020 und 2021 auch eher dürftig. Erst als die Sicherheit wuchs, 2022 am Ironman Kalmar teilnehmen zu können, wuchs auch die Motivation in mir wieder. So waren die größeren Umfänge auch nötig, die ungewollten Pfunde der Vorjahre erst einmal wieder abzubauen. Am Ende stimmte dann doch alles irgendwie wieder. Die Form war tadellos vorhanden, die Klamotten passten auch wieder ohne zu spannen, und ich fühlte mich echt gut. Auch war es ungewohnt, dass ich im Vorfeld weniger Nervös war, als bei all den Wettkämpfen vorher. Wenn das kein gutes Zeichen war?

Die Anreise nach Kalmar machten wir als Familie im schicken Wohnmobil, welches für knapp 3 Wochen unser Zuhause sein sollte. Familiengerecht mit wenig Kilometern am Tag, Besuchen am Strand und in Dinosaurier-Parks für die Kinder und die Seele, kamen wir dann doch eher gestresst in Kalmar an. 2 wuselnde Kinder in einem gemieteten Wohnmobil, wo vieles kaputt gehen kann, nichts aber kaputt gehen sollte, nötigte doch unsere gesamte Aufmerksamkeit von früh bis abends.

Die Registrierung war dann doch schnell erledig, die “Expo”, wie Ironman die lächerliche Schau der Sponsoren nennt, war auch schnell abgehakt, aber dennoch gab’s im Ironman-Store das obligatorische Erinnerungs-Shirt an den Wettkampf. Ob man’s braucht oder nicht, haben will man es am Ende dann doch irgendwie.

Am Abend zurück am Zeltplatz nutzte ich die Möglichkeit, die Hilfe vom Großen anzunehmen, der sichtlich Spaß hatte, Wechselbeutel zu bekleben. Ich sortierte die Ausrüstung entsprechend, und er kontrollierte gewissenhaft. Da kann ja auch nichts schief gehen!

Freitag war Bike Check-In. Ungewöhnlich, da ich sonst sonntags die Wettkämpfe hatte. Mit den gepackten Wechselbeutel ging es in Richtung Wechselzone. Die Kinder wollten an einem Spielplatz auf dem weg im die Stadt bleiben. Kein Problem, dachte ich und spazierte weiter. Wie aus dem nichts fuhr es mir ins Kreuz. Hexenschuss beim Schieben des Rades. Darf man auch niemand erzählen! “Hoffentlich ist das morgen weg“, dachte ich mir so einfach.

Am Campingplatz zurück wurde massiert und gedehnt, aber die Nacht zeigte, dass es nicht besser wurde. DNS nach drei Jahre warten? Kann es doch auch nicht sein, oder? Ich entschloss mich, diese Entscheidung so spät wie möglich zu treffen. In der Wechselzone noch alle vorbereitet, und die restliche Zeit bis zum Start der Profis um 6:55 Uhr rumgelungert. Davon war reichlich vorhanden, da ich bereits am Campingplatz eine Mitfahrgelegenheit fand, und somit nicht 45 Minuten laufen musste.

Als ich am Schwimmstart stand, war der Entschluss gefasst, es einfach so weit es ging zu probieren. Jedenfalls, soweit es ging.

Aufgrund der Erfahrung beim Schwimmen under der Ergebnisse aller Wettkämpfe bisher, reihte ich mich bei 1:30 h ein. Das wären 10 Minuten besser als in Roth. 500 m dauerte es, bis ich meinen Rhythmus fand. Bis dahin dauerte es, bis mir klar wurde, dass es ein harte Tag werden würde. Jedenfalls machte das “Nach links atmen” keine Probleme, also schön ruhig nach links atmen und Zug um Zug nach vorne. Heute war das schwimmen auch irgendwie anders. Ich überholte auch Leute. Hah! Das gab’s wohl auch noch nie. Am Ende waren es weniger als 90 Minuten fürs Schwimmen. Sehr gut!

T1 war dann das komplette Chaos. Kurz vorm Verlassen festgestellt, dass der Tacho fehlt. Also zurück, und erst knapp 9 Minuten später am Rad gesessen. Was war denn da in meinem Kopf los?

Die Beine fühlten sich von Beginn an gut an. Vielleicht wird es doch nicht so schlimm? Von T1 ging es auf direktem Weg zur Ölandbrücke, die sonst für den Radverkehr gesperrt ist, und auf der heute eine Spur freigegeben wurde, um die ersten 110 km auf der Insel Öland abzuspulen. Landschaftlich ein Traum, Höhenmeter dafür kaum. 610 Hm zeigte die Uhr am Ende. 34 km/h im Schnitt konnten sich auch sehen lassen.

Hier war die Welt noch in Ordnung

Naja, zu früh gefreut. 60 km auf der Uhr und die Aero-Position konnte nicht mehr lange gehalten werden. Obendrein drehte der Wind und kam oft von vorne. So war das regelmäßige Dehnen auch eher ein Segel als aerodynamisch. Solange die Beine mich nicht im Stich lassen, ist alles ok. Am einzigen “Anstieg” hatte ich dann auch noch starken Gegenwind, so dass diese wenigen Höhenmeter so keinen Spaß machten. Nachdem die Ölandbrücke am Rückweg hinter einem gelassen wurde, ging es noch 70 km nördlich von Kalmar durch viele kleine Vororte. Dieser Abschnitt war dann auch technisch bisschen anspruchsvoller. Mit Kehren und engeren Kurven, musste man schon mehr aufpassen als vorher. Die Wechselzone errichte ich dann nach 5:45 h. Für die 180 km waren das dann doch mehr als ok für meinen körperlichen Zustand heute.

Der Wechsel zum Laufen klappte, und die ersten Kilometer fühlten sich gut an. Die Wunsch-Pace von 5:10-5:20/km ging dann nach wenigen Kilometern flöten, als sich der Rücken mehr und mehr bemerkbar machte. Drei Runden galt es zu absolvieren. Von T2 durch die Altstadt hinaus in einen Vorort und zurück durch ein kleines Leichtathletikstadion fürs Rundenbändchen. Durch einen Park und an T2. Meine Familie kurz nach T2 zu sehen war Balsam! Mit Tränen in den Augen vergaß ich für wenige Sekunden meine Schmerzen und fasste neuen Elan das Ding heute zu Ende zu bringen. Egal wie lange es dauert. Mein Sohn wollte, das ich gewinne. Ich versprach ihm aber, so schnell zu sein, wie es geht. Es war heute nur nicht so schnell, wie gewünscht.

Wie sagte einmal ein großer und erfolgreicher Nürnberger Triathlet zu mir? “Beim Marathon angekommen, schafft man es auch ins Ziel, und wenn man auf allen vieren hindurch krabbelt”. So weit wollte ich es dann doch nicht kommen lassen, aber es stärkte ungemein die Gewisseheit, am Ende berühmte IM-Finishline zu überqueren. Und die Tatsache, dass der Support entlang der Strecke einfach gigantisch war! Nachdem meine Hochrechnungen eine Zielzeit über 12 Stunden prognostizierte, entschloss ich mich, mehr und mehr die Stimmung entlang der Strecke zu genießen als mit Gewalt rennen zu wollen. “You are an Ironman” ertönte für mich am Ende nach 12:30 h. Nicht von Mike Reilly persönlich, aber von jemand, dessen Worte genauso wirkten.

Am Ende musste ich mir eingestehen, dass nicht mehr drin war. Das Teil überhaupt ins Ziel zu bringen, war heute Triumph für mich genug. Die Zeit kommt dann auch irgendwann wieder!

Ich habe mich selten über ein so schlechtes Rennen gefreut, wie in diesem Moment!

Vorbereitungen und Ernährung waren top. Die Umfänge, die ich trainieren konnte, passten. Auch in Anbetracht mit 2 kleinen Kindern zuhause. Was ich auch positiv mitnehme ist, dass mein Ernähungsplan komplett aufgegangen ist, und ich zu keiner Zeit auch nur annähernd Probleme hatte.

Swiss Alps 100 – mein erster (fast) 100 Meiler

Christian Gugelmann

Ende Juni hatte es mich dann doch erwischt – eine Woche vor meinem geplanten Start bei der X-Alpine (140 km mit D+ 9’300 m) in Verbier. Das COVID Virus war da und hatte mich im Griff. Sofort stoppte ich meine Sportaktivitäten. So schwer es mir auch fiel, aber meine Gesundheit hatte höchste Priorität. Ganz schnell war mir auch klar, dass ich bei der X-Alpine 7 Tage später nicht antreten werde. 6 Monate hartes Training für nichts? Einmal kurz geschüttelt, Gespräche mit meiner Frau und meinem Coach und schon hatte ich ein neues Ziel: die Swiss Alps 100 mit einer Strecke von 160 km und D+10’000 m. Vom Training her sollte dies machbar sein, meinte mein Coach. Auch gewinnst Du Zeit, um dich bis dahin wieder vom COVID Virus zu erholen und Du hast genug Zeit nach dem Lauf, um dich für den Saisonabschluss beim «Wildstrubel by UTMB» mit 108 km im September wieder zu erholen.

10 Tage nach dem positiven COVID Test war das Schlimmste (Müdigkeit, Kopfschmerzen und Husten) überstanden und ich startete vorsichtig wieder ins Training. Keine großen Umfänge mehr und auch keine harten Einheiten. Einfach lockeres Laufen und immer den Puls im Blick behalten. Der war auch noch leicht erhöht. Also immer schön langsam.

3 Wochen später war es soweit. Die Nervosität stieg langsam, aber sicher. Bereits am Mittwoch (2 Tage vor dem Start des Rennens) packte ich meine Rennausrüstung zusammen:

  • Ein Laufrucksack mit
    • 3x 500ml Soft Flasks
    • Regenjacke
    • Laufstöcken
    • Regenhose
    • Erste Hilfeset
    • Ernährung (Gels, Isotonische Getränke)
    • Stirnlampe (eine Nacht hatte ich mindestens durchzurennen)
    • Notfalldecke
  • 3 Drop Bags (ich konnte auf der Strecke an definierten Aid Stations meine persönlichen Drop Bags platzieren
    • Gels
    • Getränkepulver
    • Ersatzschuhe
    • Socken
    • Laufshirts
    • Zahnpaste und Zahnbürste
    • Buff Tücher
    • Chips

Meine Frau war schon sichtlich genervt, da ich nur noch von diesem Ereignis erzählte und minütlich die Wetter-App analysierte.

Am Donnerstag ging es dann los. Gemütlich reiste ich mit dem Zug nach Fiesch im Wallis. Hatte mir sogar ein 1. Klasse Ticket gegönnt. Wollte ja entspannt und ausgeruht dort ankommen. In Fiesch angekommen checkte ich erstmal in mein Zimmer im Feriendorf ein. Und direkt danach ab zur Registration. Total genial war, dass mein Zimmer direkt auf dem Start- und Zielgelände lag. Sprich ich hatte 100 m zu gehen und war an der Startlinie. Was sich nach dem Lauf als mega praktisch herausgestellen wird.

Auf dem Weg zur Registration tauchte ich dann bereits in die Ultra Trail Runner Community ab. Viele tolle und ebenso verrückte Menschen. Plötzlich stand Jason Schlarb neben mir. Ich würde mich nicht als typischen Fan-Boy beschreiben, aber wenn auf einmal ein US-Trailrun-Profi neben dir steht, den du nur aus Youtube Clips oder von Insta kennst, dann wirst Du zu einem Fan-Boy. Nach einem gemeinsamen Foto und einem längeren Gespräch wusste ich, dass seine Frau Withney morgen auch ihren ersten 100 Meiler hier laufen wird und er sie dabei unterstützt.

Nachdem ich meine Startnummer abgeholt und meine Dropbags für die entsprechenden Aid Stations abgegeben hatte, traf ich noch Kollegen aus dem schönen Entlebuch. Yuri und Hanspeter, zwei ambitionierte Läufer, welche gar nicht so weit weg von mir in der Schweiz wohnen. Hanspeter und ich werden beide vom gleichen Trainerteam (Two Peaks Endurance) trainiert, worüber unser Kontakt entstanden ist. Was mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, dass beide das Ding morgen rocken würden. Yuri holte sich den zweiten Platz und Hanspeter, immerhin schon über 50 Jahre alt, wurde Overall Dritter. Was für eine grandiose Leistung. Gemeinsam diskutierten wir Zeitpläne und Ausrüstungstipps.

Nach dem interessanten Gespräch ging ich schnell noch etwas Essen und dann gegen 21.00 Uhr ins Bett. Der Versuch, früh zu schlafen, war gar nicht so einfach, wenn vor deinem Fenster 2 Schulklassen eine Party veranstalteten. Egal, irgendwann war ich dann eingeschlafen.

Am nächsten Morgen ging mein Wecker um 05:30 Uhr. Duschen, Toilette, Rasieren und Frühstücken. Alles lief irgendwie recht fokussiert. Ich wollte, dass es endlich losgeht. Noch schnell mit meiner Frau und den Kids über Videotelefonie gesprochen. Und dann war er auch schon da – der Start.

Pünktlich um 08:30 Uhr, bei bestem Wetter (Sonne, kein Regen, mit später recht hohen Temperaturen) ertönte der Startschuss.

Langsam setzte sich das Feld von knapp 100 Läufer:innen in Bewegung. Wir gingen direkt in den ersten Anstieg. Nach 7 km und knapp 1’100 Höhenmetern erreichten wir die erste Aid Station (Kühboden). Alles lief super. Puls war im richtigen Bereich, Beine fühlten sich gut und Ernährung klappte. Bei der Station Kühboden hörte ich plötzlich «Chris, you are doing good. Great job!» Ich drehte mich um und sah Jason, der dort mit seinem Sohn auf seine Frau wartete. Da war ich kurz wieder ein Fan-Boy ?

Nach Kühboden ging es wieder etwas runter, allerdings war alles noch sehr laufbar. Breite Forstwege und später auch wieder ein wenig Asphalt, sobald man Dörfer durchquert. Ich hatte einen guten Rhythmus und konnte mich im vorderen Feld festsetzen.

Nach einem kurzen Wiederanstieg kamen wir zur zweiten Aid Station (Riederfurka) bei KM 16. Diese Aid Station werden wir nach einem Loop um einen anderen Gipfel wieder durchlaufen. Ich hatte dort meinen ersten Drop Bag platziert, allerdings erst für den zweiten Durchlauf. Also kurz Wasser auffüllen, Isopulver (Tailwind) in die Flasks geben und weiter. Keine 2 Minuten habe ich an den ersten zwei Aid Stations verbracht. Nach Riederfurka ging es in den ersten technischen Downhill über Felsen und Wurzeltrails. Zum Teil auch recht steil. Ein kurzer Sturz, leichte Schürfungen am rechten Oberschenkel und die ersten Steine in den Schuhen. Bei den Steinen im Schuh reagiere ich immer sofort, das könnte übel werden, wenn man diese drinnen lässt. Also hinsetzen und Schuhe ausleeren und weiter. Alles gut gegangen, hoffte ich. Nach dem Downhill ging es wieder steil und lange hoch. Stecken raus und Power Hiken. Im Schnitt machte ich zu diesem Zeitpunkt ca. 800 bis 1000 Höhenmeter in der Stunde (Vertikale Speed). Alles im Plan.

Die nächste Aid Station (Belalp) erreicht. Da hatten wir bereits KM 23.4 mit kumuliert 2’022 Höhenmetern hinter uns. Stimmung war gut. Wir hatten eine Gruppe von Läufern gebildet und unterhielten uns recht intensiv. An der Station Belalp das gleiche Prozedere wie bei den ersten beiden Aid Station. Flask auffüllen mit Wasser und Isopulver und schnell weiter. Nach der Station ging es auf technischen Trails hinauf zu einem Gletschersee, den es zu Umrunden galt und dann wieder runter zur Station Belalp. Auf dem Weg hoch kam mir die Top 5 Läufer kurz vor dem Gletschersee wieder entgegen. Krasses Tempo hatten die Jungs drauf. Mir selber ging es noch gut. Rhythmus war da und ich ließ es locker angehen. Waren ja auch noch knapp 135 km bis in Ziel 😉 Auf dem Downhill wieder runter zu Belalp spürte ich Schmerzen auf beiden Fusssohlen. Das darf doch nicht sein. Das Schmerzen zu einem Ultra dazugehören, war mir klar. Aber doch nicht so früh im Rennen. Erstmal habe ich versucht diese zu ignorieren.

Wieder bei Belalp angekommen wurden die Flasks aufgefüllt und es ging direkt mit der Gruppe schnell weiter. Hanspeter hatte ich dann erzählt, dass ich wohl Blasen an den Füssen hätte. Er guckte mich ernsthaft an und sagte, ich solle sofort stehen bleiben und diese versorgen. Sonst könnte es Übel werden für den Rest des Rennens. Das er Recht hatte, wusste ich natürlich, aber ich wollte die Gruppe nicht verlieren. Nach kurzer Bedenkzeit scherrte ich aus und rief Hanspeter zu, dass ich meine Füße versorgen werde und wünschte ihm viel Erfolg. Was ja am Ende zu einem sensationellen 3. Platz bei ihm reichte ?

Zurück zu mir. Ich fand eine Bank im Schatten und setze mich. Schnell die Schuhe und die Socken ausgezogen und Blasenpflaster aus dem vorgeschriebenen Erste Hilfe Set aus dem Rucksack gekramt. Die Füße sahen nicht gut aus: 4 offene und blutige Blasen. Ich versuchte alle zu versorgen, aber zum Teil waren sie schon etwas zu groß für die Pflaster. Nachdem die Pflaster angebracht waren, schnell wieder Schuhe und Socken an, den Müll versorgt und ab auf die Lauftstrecke. Schnell hatte ich die ersten Läufer wieder eingeholt, welche mich während meiner Zwangspause überholt hatten. Aber meine Gruppe war leider weg. Es folgte ein längerer Downhill. Eigentlich etwas, wo ich gerne schneller laufe, aber bald merkte ich, dass meine Füße wohl dauerhaft schmerzen werden. Vor allem dann, wenn es schnell bergab ging und der Boden uneben war. Und hey, wir waren auf einem alpinen Ultratrail: das ist es eigentlich immer uneben. Was nun? Aufhören? Auf keinen Fall, sagte ich mir. Ich versuchte die Schmerzen auszublenden und mich auf positive Dinge zu konzentrieren. Und es klappte. Ich freute mich auf KM 71, da dort ein guter Freund als «Pacer» in das Rennen einsteigen würde und mich die ganze Nacht durch die Berge begleiten würde. Auch freute ich mich über die Bekanntschaften auf der Strecke. Ich traf in diesem Abschnitt Steeven, Eric und Denise. Denise war übrigens die erste Frau und wird später das Rennen auch souverän gewinnen. Gemeinsam liefen Richtung Riederfurka – dort wo mein erster Drop Bag auf mich wartete. Es wurde immer heisser und Wasserstellen (Brunnen, Flüsse) gab es leider keine. Es war am Ende richtig hart, mein Wasservorrat ging kurz vor Riederfurka zu neige.

Als ich dort endlich ankam, war ich bereits ein wenig dehydriert. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir über 40 km und über 3’300 kumulierte Höhenmeter in den Beinen. Die Volunteers in der Riederfurka waren top. Sofort wurde der Dropbag gereicht. Schnell meine Essensvorräte im Rucksack aufgefüllt, viel Wasser und Cola getrunken und eine kurze Dusche unter einem Wasserschlauch genommen. Diese Pause hatte mal etwas länger gedauert, aber es musste sein. Nach knappt 4-5 Minuten ging es weiter. Zum schönsten Teil der Strecke. Immer am Aletschgletscher entlang.

So schön dieser Streckenabschnitt auch war, mir ging es gar nicht mehr gut. Denke die Dehydration und die Höhe machten mir zu schaffen. Wir liefen auf über 2’000m Höhe und meine Energie war einfach weg. Anstatt die flowigen Trails zu rennen, konnte ich nur Power-Hiken. Auch mein Magen meldete sich und hatte keine Lust mehr auf meine Ernährung. Irgendwie durchhalten und zur nächsten Aid Station kommen. Ich hoffte dort auf Cola und heisse Bouillon. Ein paar Läufer überholten mich auf diesem Abschnitt. Aber das war mir egal. Ich musste mein Tempo finden. Denn es war noch nicht einmal Halbzeit. Beim Lauf entlang des Aletschgletschers, immerhin der größte in Europa, war ich begeistert von diesem Anblick aber auch besorgt: wie lange wird es diesen Gletscher noch geben. Der Klimawandel ist auch hier schon sicht- und spürbar.

Irgendwann erreichte ich endlich die Aid Station «Gletscherstube». Zu diesem Zeitpunkt hatte ich 51km und 3’900 kumulierte Höhenmeter in den Beinen. Leider gab es keine Cola. Aber Bouillon wurde serviert. Da es an dieser Stelle etwas windig war und ich zu frieren begann, machte ich eine etwas kürzere Pause und startete den Downhill. Leider nicht laufend, sondern gehend. Mein Magen war immer noch nicht gut, Energie fehlte und die Füssen taten einfach weh. Irgendwann begann ich wieder zu laufen. Es fühlte sich okay an. Was war anders? Ein Blick auf meine Uhr erklärte es mir schnell: ich war wieder unter den 2’000 Meter Höhe angelangt. Da scheint sich mein Körper einfach wohler zu fühlen. Bin halt doch ein Flachlandtiroler. Nach ein paar technischen Passagen mit vielen Holztreppen, Leitern und steilen Gegenanstiegen folgte ein längerer laufbarere Downhill.

Sofort konnte ich wieder Plätze gut machen und Läufer:innen einholen, die mich am Aletschgletscher zuvor überholt hatten. Es fühlte sich gut an.

Am Ende des Downhills erreichte ich die nächste Aid Station (Niederwald). Auf dem Tacho standen 64.7 km. Es war ca. 20:30 Uhr und die Sonne verschwand so langsam hinter den Berggipfeln. Dort wartete mein zweiter Drop Bag. Und zu meiner Überraschung traf ich auf die Trail-Maniacs Crew aus Solothurn, welche Eric an diesem Event betreute. Ein Angebot an Gummibärchen lehnte ich zwar ab, aber ein kurzes Gespräch konnte mich trotzdem kurz von meinen Leiden ablenken ?Danach machte ich mich parat für die Nacht. Langärmliges Hemd angezogen, neues Buff-Tuch als Kopftuch anstatt meines Salomon Sonnenhutes, Stirnlampe angezogen, Rucksack wieder aufgefüllt. Das warme Essensangebot an dieser Aid Station war nichts  für mich. Hot Dog. Konnte mir nicht vorstellen einen zu essen. Michael, ein Läufer aus den USA, ass gleich 3 Stück. Es schien ein Wundermittel zu sein. Am Ende wurde Michael Overall Fünfter. Congrats ?

Ich verließ die Aid Station und lief in Richtung Reckingen. Ein besonderer Ort. Dort, an der Aid Station Reckingen bei KM 71.9 km, wartete mein Freund Cyrill, um mich als Pacer die anstehende Nacht zu begleiten. Die Strecke war wellig, aber technisch einfach und eher flach. Perfekt, um Zeit gut zu machen und es laufen zu lassen. In meinem Fall war es aber leider eher perfekt, um Zeit zu verlieren. Ich hatte einfach keine Power mehr. Mein Magen wollte ebenfalls nicht mehr. Also spazierte ich fast die gesamten knapp 7 km. Was eine Ewigkeit. Plötzlich kam mir Yuri entgegen. Gemäß Streckenplan hätte dies eigentlich nicht passieren dürfen. Er lag auf Platz 2 und rief mir zu, dass die Strecke kurzfristig geändert werden musste. Ich konnte es nicht glauben. Auf der Original Strecke wurden Elektrozäune errichtet und dahinter waren Herdenhunde. Eine Bekanntschaft, die man nicht machen möchte. Also hatte der Veranstalter völlig zurecht die Strecke kurzfristig angepasst. Dies führte dazu, dass statt 160 km am Ende nur 156 km zu Buche standen. Auch bei den kumulierten Höhenmeter entfielen dadurch knapp 1’000 m. Zuerst ärgerte ich mich, da ich doch meinen ersten 100 Meiler mit eben 160 km machen wollte. Aber hey, Spoiler-Alarm: Am Ende war ich echt froh, dass wir diesen einen Berg und ein paar Kilometer weniger hatten.

Also weiter ging es. Einige Läufer kamen an mir vorbei und so wusste ich, dass ich immer noch gut im Rennen liege. Top 15. Geil. Für meinen ersten 100 Meiler. Mein Telefon klingelte und Cyrill fragte ganz ungeduldig, wo ich denn bleibe. Er dachte wohl auch, dass ich auf diesem Flachstück eher Zeit gewinne. Aber ich erklärte ihm, dass ich das Tempo rausnehmen musste. Ich kann jetzt nur verlieren, wenn ich nicht auf meinen Körper höre.

 So gegen 21.40 Uhr gab es dann das grosse Treffen in Reckingen. Cyrill war parat mich zu pacen. Wir fielen uns in die Arme. War echt emotional. War für ein Support von Cyrill. Der arbeitete den ganzen Tag in Zürich. Fuhr dann mit dem Zug nach Reckingen um mit mir über 42 km durch die Nacht in den Bergen zu Maschieren. Wie geil ist das denn? Na ja zugegeben, für Cyrill war das ein tolles Training in seiner Vorbereitung auf dem UTMB Ende August in Chamonix. Aber trotzdem: muss man erstmal machen.

Also wieder umgedreht und gemeinsam zurück auf die Strecke nach Niederwald. Wir spazierten flott auf der Strecke. Ich erklärte Cyrill, dass mein Magen durch ist und mir Energie fehlt. Und was macht ein guter Pacer? Er pushte mich ab diesem Moment zu essen und zu trinken. In dem Wissen, dass ich es vermeiden möchte, wusste er, dass ich es aber tun musste. Sonst würde ich nie finishen können. War schon manchmal etwas nervig, aber er war hartnäckig.

Kurz zum Status Pacer: ein Pacer war ab Reckingen für jeden Läufer erlaubt. Ein Pacer durfte die normale Strecke laufen und sich an jeder Aid Station verpflegen. Er durfte dich motivieren. Er durfte dich aber nicht verpflegen und auch nichts für dich tragen. Er war quasi mein persönlicher Einpeitscher ?

Inzwischen war es dunkel und wir marschierten die nächsten Anstiege hoch in Richtung nächster Aid Station. Die Nacht war unwirklich: es hatte Vollmond und der Himmel war Sternenklar. Einfach mystisch so mitten in den Bergen, die Bergbäche am Rauschen, der Vollmond über dir und ein guter Freund neben dir.

Irgendwann waren wir in Chäserstatt, der nächsten Aid Station. Es gab dort Raclette. Ich glaube ich muss nicht erklären, dass mein Magen nicht unbedingt Jubelschreie ausstiess, als ich das roch. Also versuchte ich mich an Chips und Erdnüssen. Hauptsache salzig. Keine Minute später sprang ich auf und rannte zu den Büschen. Was dann passierte könnt ihr euch sicher denken ? Nach zwei Minuten war mein Magen leer, aber hatte sich auch etwas beruhigt. Aber ich war nicht beruhigt. Was jetzt? Ich musste Essen, aber es ging nichts. Zum Glück hatte ich in meinem Rucksack verschiedene Essenssorten dabei. Ich hatte schon vor dem Start geplant, genügen Essalternativen mit mir zu führen. Das kam mir jetzt zu Gute. Ich fand etwas, was mein Magen behielt. Also waren die nächsten Kilometer gesichert. Übrigens: zu diesem Zeitpunkt hatten wir 83 km und 4’100 Höhenmeter in den Beinen.

Weiter ging es in die Nacht. Nach einem kurzen Downhill folgte ein langer und zum Teil sehr steiler Anstieg. Auf diesem Anstieg wurde ich von 4 Läufern überholt. Aber das war mir zwischenzeitlich völlig egal. Ich wollte nur noch ankommen. Essen und Trinken konnte ich in diesem Abschnitt nur sehr vorsichtig und zurückhaltend. Ich lief sozusagen auf Reserve. Dann Diskolichter in Sicht. Was war das? Es war tatsächlich die nächste Aid Station. Damit alle Läufer:innen dieses Haus in der Ortschaft Binn auch in der Nacht schnell finden konnten, wurde extra eine Diskobeleuchtung angebracht. Coole Idee. Eckdaten: 100km und 5’600 Höhenmeter waren absolviert. Es war kurz vor 05.00 Uhr morgens.

In der Aid Station hatte ich meinen letzten Drop Bag platziert: ich zog mir wieder ein kurzes Hemd an, wechselte auf meinen Sonnenhut, füllte den Rucksack auf und putzte mir die Zähne – immerhin startete ein neuer Tag. Mein Magen war allerdings noch ein großes Problem. Aber in dieser Aid Station gab es meine Rettung: gesalzene Baby-Pellkartoffeln. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu essen ? Mein Magen war zufrieden und ich wusste, jetzt ist das Finish am Ende des Tages wieder erreichbar. Noch kurz auf die Massageliege gehüpft und die Beine lockern lassen. Nach 45 Minuten in der Aid Station ging es wieder weiter. Voller Energie in den neuen Tag.

Nach einer guten Stunde Bergauflaufen ging die Sonne endlich auf. Sonnenstrahlen auf der Haut können eine unglaubliche positive Wirkung haben. So auch in diesem Moment.

Gemeinsam wanderten und liefen wir zur nächsten Aid Station (Breithorn). Dort angekommen, wurde die Jacke eingepackt und viel Nudelsuppe gegessen. Inzwischen habe ich 106 km und 6’800 Höhenmeter hinter mich gebracht.

Nach einem kurzen Schwatz mit der Crew der Aid Station ging es weiter. «In 5.5 Stunden sehen wir uns wieder», rief uns die Crew hinterher. Nach der nächsten Aid Station musste ein Gipfel bestiegen werden und dann ging es wieder zurück zur Aid Station Breithorn. Das sollte also 5.5 Stunden dauern. Krass.

Zuerst ging es auf einer Forststrasse leicht bergab. Eigentlich laufbar, aber meine Füße schmerzten von den offenen und wunden Stellen. Also erstmal langsam rantasten und hiken. Hanspeter, der ja Dritter wurde, kam uns entgegen. Man sah der gut und fit aus. Er hatte also über 5 Stunden Vorsprung inzwischen. Klasse Leistung ? Nach einem Gegenanstieg und weiteren inzwischen befreundeten Läufern, welche uns entgegen kamen, ging es wieder in einen Downhill. Diesmal zwang ich mich zu rennen. Es ging, irgendwann war der Schmerz einfach ok. Wir erreichten die Aid Station Rosswald bei KM 116 und 7’000 Höhenmetern. Ab diesem Zeitpunkt war es mein längster Lauf, was Cyrill und ich mit einer Schüssel Reis mit Tomatensauce auch gebührend feierten. Nach 10 Minuten inkl. Toilettengang ? – schön ein echtes Klo vor sich zu haben, nachdem ich beim Hocken in der Kniebeuge bestimmt Krämpfe bekommen hätte  – ging es weiter.

Ein kurzer Downhill und dann direkt in den letzten großen Anstieg aufs Fülhorn (2’738m). Auf halber Strecke dann der geplante Abschied von meinem Pacer Cyrill ? Eine innige Umarmung, ein letztes Selfie und ich war wieder alleine.

Irgendwann hatte ich den Gipfel erreicht, was durchaus technisch und anspruchsvoll war. Zum Teil musste ich sogar meine Hände zum Klettern nutzen. Und das nach über 24h und über 100 km. Schon krass.

Nach dem Gipfel ging es in einem technischen Downhill wieder auf die Strecke in Richtung Breithorn Aid Station. Beim Downhill hatte ich noch Glück: einen Ziegenherde über mir löste einen größeren Stein, welcher in vollem Tempo ins Tal donnerte. Ungelogen: das Ding schlug keine 50 cm vor mir auf. Glück gehabt. Nach ein paar Drohungen von mir in Richtung Herde ging es weiter. Wieder angekommen am Breithorn, hatte ich die Zeitvorgabe der Crew erfüllt (knapp 5.5 Stunden) und versorgte mich wieder mit Nudelsuppe und Cola. In den Büchern standen jetzt 128km und 8’000 Höhenmeter.

Inzwischen kamen zwei weitere Läufer von hinten und schlossen zu mir auf. Mein Magen war wieder gut und ich wollte keine weiteren Plätze verlieren. Also schnell weiter. Zu dritt marschierten wir zum letzten großen Downhill. 13km auf meinem Forstweg ins Tal donnern. Füße tun weh, aber meine Chance um mir einen Vorsprung zu erkämpfen. Also los. Irgendwie konnte ich die Schmerzen vergessen und ballerte ins Tal. Also Ballern ist so ein großes Wort. Es fühlte sich an wie Ballern, aber ein Blick auf die Uhr holte mich schnell in die Realität zurück: 6 Minuten 30 auf dem KM sind ja nicht gerade ballern. Aber nach der Zeit auf den Beinen irgendwie schon. Auf jeden Fall waren die zwei Mitstreiter schnell aus dem Rückspiegel verschwunden ?

Unten angekommen, spürte ich meine Oberschenkelmuskulatur. Es war schon hart, 13 km einfach nur runter zu rennen. Aber egal. Noch zwei Aid Stations und ich war im Ziel.

Bei der Aid Station Grengoils hatte ich knapp 140 km auf dem Tacho. Schnell ein paar Gels nachgetankt und ne Menge Cola getrunken und weiter ging es. Jetzt war ich so zwischen 1’000 und 1’400 m unterwegs. Gut für mich als Flachlandtiroler, aber was hart war, war die Hitze. Im Tal ist es halt doch nochmal einiges heißer als auf dem Berg ? Im bin förmlich zerflossen. Und dann noch Asphaltstrassen und Wälder, in denen die Luft stand. Egal, du musst jetzt das Ding zu Ende bringen. Irgendwie kämpfte ich mich zur letzten Aid Station (Mühlebach). Empfangen wurde ich mit Beifall von der Trail-Maniacs Crew Solothurn – ich könnt euch gar nicht vorstellen wie gut so etwas tut ?Kurz Flasks aufgefüllt, ein Red Bull getrunken und Endspurt. Überholt hat mich dann niemand mehr. Und am Ende konnte ich die 155.7km mit 8’808 Höhenmetern in 33 Stunden und 13 Minuten als Overall 12. Mann (4. In meiner AK) finishen ? Von 100 gestarteten Läufern kamen nur 52 ins Ziel.

Das war das härteste Ding, dass ich jemals in meinem Leben gemacht hatte. Aber es war auch einer meiner emotionalsten Wettkämpfe: ich habe noch nie so viele Menschen auf und an der Strecke kennenlernen dürfen. Tolle Gespräche, geniale gegenseitige Unterstützung und Freiwillige, die die ganze Nacht an den Aid Stations verrückte Läufer am Leben hielten ???

Im Ziel dann als erstes ein alkoholfreies Bier und ne Bratwurst vertilgt. Man war das lecker. Nach einer Dusche und schockierender Ansicht meiner Füße bin ich dann auf schnellstem Weg zum Medical Center im Zielbereich gehumpelt. Dort wurden dann meine Wunden an beiden Füssen fachmännisch gereinigt und versorgt. Eine Woche später waren die offenen Stellen zum Glück wieder verheilt und erste Laufeinheiten waren wieder möglich.

Jetzt noch etwas relaxen und Schlaf nachholen. Anfang September steht dann schon das nächste Rennen an: der Wildstrubel by UTMB mit 108 km und knapp 5’700 Höhenmetern ?

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